DCBS erklärt

  • Eine umfassende Beschreibung des DCBS - Aufbau, Funktion und Zweck

    Beschreibung des DCBS - Dual Combined Brake System


    Im Folgenden findet ihr eine Beschreibung des DCBS-Systems aus dem alten "VFR-Wegweiser", der im Netz nicht mehr vorhanden ist.


    Achtung: Die Beschreibung auf der originalen Seite passt nicht ganz zur SC24. Ob das eine Besonderheit der VFR war oder ein Fehler des Erstellers, kann ich nicht mehr nachvollziehen. In der textlichen Beschreibung habe ich es angepasst / korrigiert, die Bilder muss ich später noch bearbeiten. Details zur Abweichung siehe den folgenden Kasten (Quelle der Korrektur: Honda-WHB SC24 Dual BJ 94).




    Da es in der Vergangenheit besonders im Forum von MOTORRADONLINE immer wieder Diskussionen über das DCBS gab, und es den Anschein hat, dass eigentlich niemand recht weiß, wie, was, warum, wann funktioniert, versuche ich auf dieser Seite einige Missverständnisse aus dem Weg zu räumen.
    Gegliedert habe ich das Ganze in fünf Punkte:


    • Grundsätzliches Funktionsschema
    • Aufbau und Funktionenbeschreibung
    • Funktionsweise
    • Prüfung des Systems
    • Fazit




    1. Grundsätzliches Funktionsschema

    Um von gleichen Voraussetzungen für die Beschreibung des Systems auszugehen, ist es notwendig zunächst das grundsätzliche Funktionsschema zu kennen.
    Allgemein ist wohl bekannt, dass das DCBS der HONDA Motorräder bei Betätigung des Handbremshebels das Hinterrad mit verzögert wird. Bei Betätigung des Bremspedals entsprechend das Vorderrad.
    Wie das im Einzelnen geschieht, beschreibe ich in den folgenden Punkten.


    Was grundsätzlich einmal zu klären ist: DAS DCBS IST KEIN ANTIBLOCKIERSYSTEM
    Wenn man vorne voll reinlangt, dann steht das Vorderrad. Wenn man hinten voll reinsteigt, dann steht das Hinterrad. Egal ob dreckige, trockene oder nasse Straße, in der Kurve oder auf der Geraden, es ist immer möglich die Räder zum Blockieren zu bringen.


    Was jetzt nicht missverstanden werden darf, das jeweils zusätzlich mitgebremste Rad blockiert dabei nicht, es wird zwar mitverzögert, aber nicht bis zur Blockade.
    Wie das erreicht wird, darauf komme ich im Folgenden.

    2. Aufbau und Funktionenbeschreibung


    Diese Baugruppenzeichung ist das DCBS der CBR1000F. Der Aufbau der anderen DCBS (VFR800, XX, Varadero, ST1000, X11) ist ähnlich, die Funktionsweise ist gleich.


    Auf diesem Bild sind die einzelnen Baugruppen erkennbar:



    Die grünen Baugruppen sind die Bremssättel, die alle drei Kolben besitzen. Davon operieren jeweils die beiden äußeren zusammen. Hydraulisch getrennt von den beiden Äußeren wird jeweils der Mittlere extra betätigt. Übrigens, die Bremsbeläge sind vorne und hinten die Gleichen.


    Die roten Baugruppen sind die "Druckerzeuger", die Pumpen sozusagen. Für die Handbremse und die Fußbremse sind diese Hauptbremszylinder nichts Besonderes.


    Besonders ist der dritte Sekundärhauptbremszylinder links am Vorderrad oberhalb des Bremssattels. Während die beiden anderen mit der Hand bzw. mit dem Fuß betätigt werden, wird der Sekundärhauptbremszylinder am Vorderrad durch Mitnahme beim Bremsen mit dem Vorderrad betätigt. Dazu später mehr.


    Äußerst wichtige Bauteile sind die Gelben, da diese für die Bremskraftverteilung zwischen den Rädern verantwortlich sind. Das Hintere ist ein Proportionalsteuerventil. Es steuert abhängig vom Eingangsdruck einer Kennlinie folgend den Auslassdruck, den es weitergibt.


    Die Kennlinie dieses Ventils schaut dabei etwa so aus:



    Wozu dieses Ventil gut ist, ist eigentlich aus der Charakteristik gut zu erkennen.


    Annahme: Beim Bremsen mit der vorderen Bremse wird das hintere Rad linear mitverzögert. Das würde, manchen Gerüchten folgend, bedeuten, dass bei maximaler Verzögerung des Vorderrads auch das Hinterrad maximal verzögert wird.
    Da durch die dynamische Radlastverteilung beim Bremsen das Hinterrad entlastet wird, würde das Hinterrad blockieren. Das wird nun durch dieses Ventil mit seinem Dekompressionskolben verhindert. Also keine Gefahr fürs Hinterrad beim vollen reinlangen in die vordere Bremse.


    Dass ich die ganze Zeit von blockierenden Rädern spreche kommt einfach daher, dass es nunmal den Grenzfall darstellt, auf den das System ausgelegt sein muss, dass es auch im normalen alltäglichen Betrieb reibungslos funktioniert zeigt die Erfahrung.
    Nun aber zur Funktionsweise.


    3. Funktionsweise


    Hier zunächst eine Gesamtfunktionsübersicht des Systems:



    Auf diesem Bild sind die einzelnen Baugruppen zu erkennen, unter anderem die beiden Ventile mit angedeuteter Charakteristik, und deren hydraulische Verbindungen.


    Lasst das Bild mal ein bisschen auf euch wirken und verfolgt die Leitungen mal nach.


    Das System lässt sich sozusagen in drei einzelne Bremskreise unterteilen,

    A. Handbremshebelsystem
    B. Fußbremshebelsystem
    C. Sekundärsystem



    A. Handbremshebelsystem



    GAAAAAAANZ WICHTIG: DIE VORDERRADBREMSE IST EINE GANZ STINKNORMALE VORDERRADBREMSE!!! Der Handbremshebel wirkt über die Hydraulikleitung auf die jeweils äußeren beiden Kolben der Bremssättel. Das wars, mehr nicht. Da hängt keine andere Leitung mit drin.


    Warum betone ich das so?

    • Die in den Test häufig bemängelte Dosierungsschwäche, die auf das DCBS geschoben wird, liegt zunächst daran, dass die Bremse Gummileitungen hat. Außerdem handelt es sich bei genauer Betrachtung um eine Doppelscheibenbremsanlage mit schwimmend gelagerten Zwei!!kolbensätteln. Fast erstaunlich, dass das Teil trotzdem noch so gut bremst.
    • Ergibt sich daraus die Möglichkeit den Druckpunkt und die Dosierung durch Stahlflexbremsleitungen zu verbessern. Dass die fünf namhaftesten Stahlflexhersteller keinen Umrüstsatz anbieten, "wegen des DCBS", und nur Spiegler einen Komplettsatz für 800DM im Angebot hat, zeigt mir, dass die sich nie richtig mit dem System beschäftigt haben.

    Eine Umrüstung nur vorne ist ohne Probleme möglich, einfach zwei Stahlflexleitungen für vorne, TÜV Eintrag kein Problem und die Dosierung und der Druckpunkt sind super.



    B. Fußbremshebelsystem



    Bei Betätigung der Fußbremse wird der mittlere hintere Bremskolben auf konventionelle Art angesteuert. Gleichzeitig aber geht eine Leitung nach vorne, die dabei jeweils den mittleren Kolben rechts und links ansteuert.


    C. Sekundärsystem



    Wie oben schon erwähnt, wird der Sekundärbremszylinder durch Mitnahme bei Verzögerung betätigt. Er ist drehbar gelagert und erzeugt so den Bremsdruck für die hinteren äußeren Kolben, die über das Proportionalventil geregelt werden. Wie das geschieht, ist oben ja schon erklärt.


    Zusammenhang der drei Untersysteme:


    Wenn nur mit der Hand gebremst wird, werden die beiden äußeren Kolben vorne betätigt und über das Sekundärsystem die beiden äußeren hinten.
    Wenn nur mit dem Fuß gebremst wird, wird der mittlere Kolben hinten, die mittleren Kolben vorne, und über das Sekundärsystem auch die äußeren hinten betätigt, da auch ein Tritt aufs Fußpedal Verzögerung vorne und so Mitnahme des Sekundärhauptzylinders bewirkt.


    Dazu folgende Bilder:


    Handhebelbetätigung: Fußhebelbetätigung:





    4. Prüfung des Systems

    Aus den vorangegangenen Ausführung müsste nun klar sein, wie man im Stand die Funktionstüchtigkeit überprüfen kann.
    Das Verfahren orientiert sich an der Betrachtung der drei "Einzelsysteme".


    Prüfung des Handbremshebelkreises: naja, das könnt ihr auch ohne mich!


    Prüfung des Fußbremshebelsystems: Ein Helfer drückt hinten das Motorrad runter, damit das Vorderrad in der Luft ist, dann wird das Vorderrad gedreht und dabei die Fußbremse gedrückt => das Vorderrad muss stehen bleiben.


    Prüfung des Sekundärsystems: Hinterrad drehen, und mit der Hand den Sekundärhauptbremszylinder betätigen => Hinterrad muss bremsen.



    5. Fazit


    Das DCBS ist kein ABS. Beim DCBS wird aber sehr wohl die Bremsverteilung variabel geregelt. Der vordere Bremskreis ist eigenständig.


    Was bringts in der Praxis, zumindest auf öffentlicher Straße?


    Das ist jetzt natürlich nur meine Meinung. Das DCBS steigert vor allem den Komfort beim Bremsen. Man kann nur vorne bremsen und realisiert trotzdem Verzögerungen wie mit beiden Bremsen zusammen. Die Konzentration kann dabei voll und ganz bei der vorderen Bremse bleiben, die, mit Stahlflex versehen, wohl zu den besseren im Vergleich zählt. Besonders wertvoll empfinde ich das mit der Konzentration nur auf ein Rad beim Fahren im Regen.
    Auch ohne explizite Betätigung der hinteren Bremse kommt man in den Genuss der stabilisierenden Wirkung, das gilt vor allem bei Nässe, aber auch beim Bremsen in der Kurve. Man hat das Gefühl, das Motorrad zieht sich auseinander und es ist sehr stabil, was meiner Meinung nach der größte sicherheitsrelevante Vorteil ist.


    Interessant am Rande ist vielleicht, das diese Verteilung so ausgewogen ist, dass bei mir bei mit permanentem und dauerhaftem Ignorieren der Fußbremse alle Bremsbeläge rundherum gemeinsam bei 24000km am Ende waren.


    Kombiniert mit einem ABS, wie bei der ST1100, wäre es für die Straße wohl optimal, wobei dem ABS die Aufgabe zukäme, das Motorrad in Extremsituationen zu kontrollieren und dem DCBS die Aufgabe zukäme, im alltäglichen Verkehr den Komfort zu heben.


    Wie gut und sicher die jeweilige Abstimmung der Regelungsmechanismen ist, wie nahe sie am Optimum arbeiten und unter welchen Bedingungen sie am besten funktionieren, kann ich nicht bewerten. Ich hoffe nur, dass sich die Ingenieure bei HONDA genug Gedanken um die Konstruktion gemacht haben und man sich so auf das System blind verlassen kann, was bei einem ABS ja nicht immer unbedingt gegeben ist, stimmt's BMW-Fahrer ;-))?